Geschichtliches Pfarre Navis

 

Ort und Pfarre

Südlich von Matrei am Brenner öffnet sich, als östliches Seitental des vom Fernverkehr durchströmten Wipptales, das stille und landschaftlich eindrucksvolle Navistal. Die alte Aufteilung in die drei Gemeindeteile Außerweg, Unter- und Oberweg prägt auch heute noch die Siedlungsstruktur des engen, fast ausschließlich am sonnseitigen Hang bewohnten Tales. Wo sich das Talinnere weitet und nach Osten hin in zwei Almtäler ausläuft, liegt auf ca. 1.350m Seehöhe die eigentliche Ortschaft Navis mit ihrem bemerkenswerten Kirhenensemble.

Den Ortsnamen Navis, der als "navisse" erstmals im 13. Jh. schriftlich auftaucht, führt die neuere Forschung nicht mehr auf römische (von "in abysio" = in der Schlucht), sonder auf ältere, nämlich indogermanische Wurzeln (von "nav" = fließen, schwimmen) zurück. Gegen Ende des 11. Jh.s setzte die Dauerbesiedlung des Tales ein, wobei neben der Rodung und Kultivierung auch die im späteren Mittelalter bergaumäßig betriebene Schürfung nach Kupfererz eine wichtige Rolle gespielt haben wird.

Kirchlich war Navis stets der Pfarre Matrei unterstellt, erst 1744 wurde es eigene Expositur, 1756 Kuratie. Im Jahr 1891, als durch kaiserlichen Erlass alle Kuratien und Lokalkaplaneien Tirols zu rechtlich selbstständigen Pfarren erhoben wurden, traf dies auch für Navis zu.

 

Baugeschichte

Etwas oberhalb des Dorfplatzes liegt auf einem Hanggrundstück, das wegen seiner Schattenlage und der stark lehmigen Bodenbeschaffenheit zu den jüngsten Rodungsgebieten des Tales zählt, die aus dem Widum, der neuen Pfarrkirche und der heutigen Friedhofskapelle bestehende sakrale Baugruppe. Hier stand bereits die erste Kapelle, über deren Errichtung keine schriftlichen Nachrichten existieren. Jedenfalls ist in einer Urkunde des Jahres 1525 im Zusammenhang mit dem als "Spöckenfeld" bezeichneten Grund von einer Christophoruskapelle die Rede, weitere Erwähnungen einer gleichnamigen Kapelle bzw. eines Kirchleins sind aus den Jahren 1560, 1577 und 1592 überliefert.

Im Zuge der wachsenden Unabhängigkeit der örtlichen Seelsorge im 18. Jh. wurde das als Expositurkirche sicher viel zu kleine gotische Gotteshaus grundlegend barock umgebaut und erweitert. Initiator und Bauherr, aber auch Planverfasser und Bauführer war der damalige Provisor (1744/45) und spätere Gründer der Kuratie, Franz de Paula Penz. Der gebürtige Naviser und spätere Pfarrherr von Telfes im Stubaital führte als Priesterarchitekt zahlreiche Barockkirchen im weiteren Umkreis von Innsbruck aus; zu seinen bedeutendsten Werken zählt die Pfarrkirche von Wilten. Auch der damals notwendig gewordene, noch bestehende Pfarrhof (Widum) geht auf seine Planung zurück.

Im Jahr 1905 schließlich wure die Kirche abermals nach Westen verlängert und mit einer neuen Fassade versehen. Im Zuge der damaligen Regotisierung erhielt die Kirche einen neuen Hochaltar mit einer großen Kreuzigungsgruppe und zwei flügelartigen Relieftafeln sowie neue Kreuzwegstationen von Josef Bachlechner d.Ä. (1871-1923) und dessen Werkstatt. Der aus dem Südtiroler Pustertal stammende und später in Hall ansässige Bildhauer gilt als letzter und gleichzeitig bedeutendster Vertreter der Neugotik in Tirol. In seinen von naiv-inniger Frömmigkeit beseelten Heiligengestalten ließ er sich vom spätgotischen Tiroler Lokalstil anregen, dessen "herben Naturalismus zu sanfter Schönheit mildernd" (Rudolf Schmidt).

Infolge eines Hangrutsches im Bereich des Kirchenschiffes, den die Unwetterkatastrophe vom Juni 1965 ausgelöst hatte, musste die alte Pfarrkirche noch im gleichen Jahr wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Daraufhin führte in den Jahren 1966/67 der vor allem durch seine Salzburger Festspielhausprojekte sowie durch zahlreiche Kirchenbauten berühmte Architekt Prof. Clemens Holzmeister (geb. in Fulpmes/Stubaital 1886, gest. in Hallein 1983) den bestehenden Neubau der modernen Pfarrkirche etwas unterhalb des alten Gotteshauses aus. Im Jahr 1969 wurde dann das baufällige alte Kirchenschiff endgültig abgetragen, nur dder gotische Chor mit seinen barocken Anbauten und dem schönen Zwiebelturm konnte stehenbleiben. Dieser Torso erhielt anschließend nach Plänen Prof. Holzmeisters als westlichen Abschluss die bestehende, satteldachförmige Portalvorhalle. Der Bau dient seither als Friedhofskirche und Aussegnungshalle.